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New Old Luten Quintet:
Krawall!

(EUPH 052)

Ernst-Ludwig Petrowsky - alto saxophone, clarinet
Elan Pauer - grand piano, percussion, little instruments
John Edwards - double bass
Robert Landfermann - double bass
Christian Lillinger - drums, cymbals, percussion

01 Lutens letzter Krawall! (29’54)

Eine starke Produktion.
Petrowsky spielt geradezu aberwitzig,
die immense Puste, die der alte Knabe hat!

Alexander von Schlippenbach

Luten spielt hier so überzeugend,
dass dieser Krawall nichts Geringeres
als sein musikalisches Credo zu verbürgen scheint.

Günter Sommer

Vielleicht noch ein ganz persönlicher Eindruck...,
dass ich noch nie so gut gespielt habe.

Ernst-Ludwig Petrowsky

Listened to the CD Wow, sounds great !
The mix, sound quality is gorgeous… and Ernst …  wonderful..
John Edwards

Eine extrem dichte erzählerische Qualität!
Gregor Mahnert, freistil

Pauer’s so-called little instruments suggesting
the noise and activities of clowns, wild animals, trapeze acts and jugglers.

Ken Waxman, Jazzword

Krawall! jumped out from the effort to re-enact the success of the quintet happened in 2013. Despite the same cast, the same the venue, the same instruments, the same recording and the same sound mixing ingenieur the repetition for sure would became a variation. In fact the quintet of the year 2014 took place on a different condition. Right after the musical set the theatrical scene of the EUPHORIUM‘s Second Stage Pub was expected. Maybe in effect of the dramaturgy of the entirely program of that evening the second vast New Old Luten Quintet lasts one third less than the first finally called Tumult!. Particularly Krawall! evolved without recourse to the warming-up in the more fundamental trio interaction. Maybe that‘s why the music of the quintet interplay comes up with such a hacking energy. Krawall! is less sostenuto but spotty, crumbly, squashed, pressed, a battle. It seems to be the most percussive one of the three great quintets. Petrowsky again produces his gliding screams. He is a master to transform a melody into a scream and the other way round. You can listen to his unmatched style of oscillating expressionistic kinds of crying and whistled chantings. Sometimes the quintet sounds like everybody aesthetically falling one upon the other. Especially Oliver Schwerdts capacity to assail is strikingly. He and the pretended senior love to tussle. One can say with Elan Pauer Oliver Schwerdt creates a quintet work to be spelled allusively The Storming Of The Old Luten Guy. Petrowskys devotion to sustain very high pitches up to unusal durations seems to allure Pauer blasting out all the cluster harmonies he commands. After Luten reaches at 13‘02‘‘ a cis‘‘‘‘ briefly around 16‘ his fis‘‘‘ lasts for 35 seconds. At the end above all that turmoil he let rise a melodic phrase that swings along it‘s nine tones sequenced for two times on a lower pitch and that is followed up by a consequent that he variegates each time on a lower pitch for six times prepairing the great relaxation after a final excitement of that multi-figured body.

Krawall!
‒ der zweite Teil eines das Spätwerk Petrowskys als Altmeister des dynamisierten Saxofonspiels skizzierenden Tryptichons ist ein erlesenes Dokument jenes verdichteten Spiels, welches dem Quintett im Leipziger Kult-Club naTo im Dezember 2014 gelang. Faszinierend wie die beiden Top-Bassisten der Szene Robert Landfermann und John Edwards das eingespielte Trio um Petrowsky, Elan Pauer und Christian Lillinger beflügeln und mit hochkomplexen Feldern neuer Kontrapunktik flankieren oder konterkarieren. Petrowskys Meisterschaft zeigt sich so umjubelt dort, wo er aus dem All von hochgeschwinden Freiheiten seine fein überschwebenden Melodien schöpft und voller Kraft einer Unendlichkeit entlang führt, welche sich sonst nur im Atem des Liedes mitteilt. Baby Sommer schreibt im Begleittext: dieser Krawall ist „ein Fluß, der nur eine Absicht hat, nämlich zu fließen…“ ‒ das Schiff auf diesem Fluß aber, welches dessen Fließen erst sichtbar macht, ist der Gesang!

Format: CD
Price: 17,99 €
ISBN: 978-3-944301-36-5
Ordering: oliverschwerdt@euphorium.de

Digital download: https://newoldlutentrioquintetseptet.bandcamp.com/album/krawall

 

Begleittexte:

Lieber Olli,- ja, eine starke Produktion!Beim Tumult gings ja schon rechtheftig zu, aber hier habt Ihr noch einen draufgesetzt. Petrowsky spielt geradezu aberwitzig! Die immense Puste, die der alte Knabe hat, und seine scharfe Artikulation, dieser ,spitze norddeutsche Schrei‘, wie er selber einmal so schön gesagt hat. Da bereitet ihm die junge, aufmüpfige ,Rhythmusgruppe‘ einen fruchtbaren Boden. Mit Edwards und Landfermann hast Du zwei erstklassige Leute. Speziell bemerkenswert ist die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher formaler sowie tempomäßiger Verläufe in den ,offenen‘ Teilen. Das hätte am Anfang meinetwegen noch etwas länger gehen können, bevor es nach gut einer Minute schon mitdem schnellen Presslufthammer Free Jazz losgeht, gegen denich ja weiß Gott nichts habe. Manchmal entsteht der Eindruck, daß Dich Lillingers bekannte, ansonsten durchaus wackere ,Hyperaktivität‘ manchmal zu sehr mit fortreisst. Getrost kann man aber sagen, daß es in diesem Quintett zu einer beachtlichen Potenzierung musikalischer Energien kommt, die ‒ von den einzelnen, sehr virtuosen Instrumentalisten ausgehend, sich in einem intensiven Zusammenspiel bündeln, für Überraschungen und einen aufregenden Sound sorgen. Auch fehlt es nicht an einer kleinen Prise Humor, der aus der Musik selbst kommt. Prima! Unbedingt mit dieser Truppe weitermachen!!
Alexander von Schlippenbach

Bei Krawall zuckt man erst einmal zusammen und geht in Deckung. Krawall impliziert Aggression und wird mit der Zerstörung von Ordnung in Zusammenhang gebracht. Die Musiker des N e w O l d L u t e n Q u i n t e t s widerlegen die negative Konnotation des Wortes Krawall auf eindringliche Weise. Mit unabdingbarer Spiellust und einem zwingenden Mitteilungsbedürfnis spielen sie so, als wüßten sie genau, da ist keine Zeit zu verlieren – da ist kein Zögern oder ,na seh'n wir mal, was passiert‘. Die kurzweiligen Abschnitte der großen Improvisation sind klar strukturiert. Ein Dauerflageolett von Luten ist eine Herausforderung für Christian Lillinger, der auch keine Sekunde auf sich warten läßt. Die darauf folgende passgenaue Übernahme vom Klavier zeugt von hohem Formgefühl innerhalb der Freiheit jenes vom Quintett gewählten Raums. Den zweiten Dauerton im Flageolett macht sich Oliver Schwerdt am Flügel dann auch für ein geschicktes kontrapunktisches Agieren zu eigen. Hier wissen, fühlen und verfügen die jungen Musiker zweifelsohne über die dramaturgischen Kräfte des ,Instant Composing‘. Warten die meisten CDs mit 7 bis 12 einzelnen Stücken auf, unter denen per Klick entscheidbar ist, welches Stück man gerade hören möchte, sind im vorliegenden Krawall neun verschiedene Sätze zu einem großen Opus zusammengefaßt. Die unausweichlichen ,Suchstationen‘ dieser frei improvisierten Session sind kurzweilig. In diesen Passagen sind die Musiker im Einzelnen gut erfaßbar. Aber das Ergebnis läßt nicht lange auf sich warten und schon geht die Post wieder ab. Ganz wunderbar der Moment, wenn die ansonsten dauerhaft unermüdlich im Untergrund arbeitenden Bassisten von der ,Zulassungsstelle‘ Saxophon, Klavier und Schlagzeug freie Fahrt zur Oberfläche bekommen und das Schweigen des Trios Robert Landfermann und John Edwards die Intimität ihres bilateral zwischen Saitenbündeln strotzenden Aktionsraums eröffnen lässt. Für die Musik des ganzen Quintetts höre ich meinen alten Freund Luten als richtungsweisendes ,Alphatier‘. Ohne ihn liefe die Gruppe wohl Gefahr, sich in Vereinzelungen zu verlieren. Er selbst spielt hier so überzeugend, dass dieser Krawall nichts Geringeres als sein musikalisches Credo zu verbürgen scheint: sein spätes Bekenntnis zu einer mit ganzer Kraft improvisierten Musik. Dafür findet er bei den Jüngeren leidenschaftliche Anerkennung, befeuernde Unterstützung und ungehaltenen Respekt. Mit der Hand am Lenkrad, hörte ich diese Aufnahme zum ersten Mal. Die CD lief, ohne dass ich es merken sollte, zweimal hintereinander: als hätte es das Abspielgerät in meinem Bus gewusst, dass der Schluss eigentlich keiner ist... ‒ und hat mich unmerklich wieder in den Anfang überführt. Der herkömmlichen Ordnung hat sich dieser Krawall unterhalb der Windschutzscheibe entzogen. Diese Musik kann man einfach nicht stückhaft abspeichern. Sie ist ein Fluß, der nur eine Absicht hat, nämlich zu fließen.....
Günter Sommer

Ich muss Dir Danke sagen. Du hast uns ja immer wieder zusammengelockt und zusammengetrieben, und das hat immer den Effekt gehabt, aber gestern war das ein absoluter Höhepunkt unserer Zusammenarbeit, die in einer dermaßenen Freiheit stattfindet. Ich habe das wirklich ernst gemeint, dass das die einzige Form von Musik ist, die wirklich eine Wahrhaftigkeit hat ‒ also die freie Improvisation, die man dann noch auf diese Art..., also die beiden Bassisten mit Christian zusammen, das war ja schon eine Weltmacht, und wir durften uns in ihr tummeln ‒ neben ihr, über ihr, unter ihr..., aber auch wir beide,: Du hast ein tolles Klavier gespielt, wenn ich das mal so sagen darf. Da bin ich richtig high nach Hause gefahren. Ich dachte, ich bin im Elysium, oder wie das heißt…Ich war ja auch von meiner eigenen Rede mitgerissen, weil die Musik: ‒ zwischen dem Erzeuger und dem Verbraucher gibt es überhaupt keine Distanz. Alles eins. Die Leute waren mit uns eins und wir mit ihnen. Wir standen nicht auf der Bühne herum und interpretierten irgendwelche waghalsig virtuosen Stücke oder wie auch immer geartete Jazzstilistiken, sondern wir haben den kürzesten Weg von uns zu denen..., und haben das alles in einer spontanen Art spontan komponiert. Ich wollte die Band umtaufen: das Oliver-Quintett, das Edwards-Quintett... wir sind in der Beziehung austauschbar: es ist nicht eine Figur, das sind fünf Persönlichkeiten, die alle gleichberechtigt sind... Vielleicht noch ein ganz persönlicher Eindruck..., dass ich noch nie so gut gespielt habe wie gestern. Auf jeden Fall habe ich mich unheimlich gut gefühlt.
Ernst-Ludwig Petrowsky

 

Reviews:

Old Free Jazzers never die, they don’t even fade away. What they do, as these CDs indicate, is follow new musical paths. Like pedigreed commodities crossbred with other products, it appears that veteran improvisers can reunite with old associates to uncover variations of mutual musical concepts; demonstrate the timelessness of their conceptions by hooking up with younger improviser; or use contemporary sound language to express their ideas in a novel fashion.
Graz, Austria-born pianist Dieter Glawischnig, 78, for instance, is a composer, Jazz educator, was leader of the NDR Big Band for a quarter-century, which at points featured musicians such as trombonist Conny Bauer and violinist Andreas Schreiber, and also leader of small bands which played with the likes of saxophonists Anthony Braxton, Fred Anderson, bassist Ewald Oberleitner and Vladimir Chekasin plus drummer Vladimir Tarasov. This 14-track CD salute, which unrolls like an historical newsreel, includes appearance from Bauer, Schreiber, Chekasin, Oberleitner and Tarasov as well as the honoree, his son, bassist Hans Glawischnig, and tenor saxophonist Gerd Dudek, who Glawischnig the elder had worked with on other projects. Recorded three months after his real birthday, the CD could also be compared to a bio-pic, with the protagonists creating their versions of past musical moments.
Composed by others, the CD’s first eight numbers are revitalizations of 1970s sounds. Introduced by Bauer’s buzzing multiphonics, which extend the instrument’s range as if turning from a flat surface to 3D, the extensions and variations which combine during “12, 123, 12345”, “Green Table Speech” and “Young Play” are the equivalent of aural wall hangings which rendered images into large than life pictures. Bauer’s distinctive plunger tones are soon joined by Ascension-era lengthy and segmented blasts from the two saxophonists in tandem; guitar-like continuum from the bassists; the fiddler’s high-pitched spiccato with near-human cries; multi-directional drum beats and more contemporary organ-like shudders from the synthesizers. Glawischnig’s presence is most obvious as Conservatory-like allusions and colorations float through the sonic miasma. Tarasov’s “Atto 4”, with its intimation of a renegade brass band strutting along a boulevardier personified by Bauer’s slide manipulations. Meanwhile, his own tune, “Liad Fira Madl”, finds Dudek’s slurry melody contrasting with the pianist’s delicate chording for a mixture of martial and romantic sounds. From that point on, the formal composer/big band arranger side of Glawischnig comes to the fore, like a film’s picture shifting from hard-edged black and white to sumptuous color. A series of six Glawischnig originals, the tracks totter from the composer’s Conservatory-like formalism to free interludes expressed through Schreiber’s triple tremolo stroking, parallel bass patterns and scratched and shrill split tones from the horns which proceed to goose the excitement level. Finely finessed on their own, and especially in the concluding “Pattern” that is invested with an infectious groove, the sounds swing but aren’t as raw as the earlier section. Birthday rightly celebrates Glawischnig’s varied talents, but when stacked up against the improvising of other soloists, confirm that his commitment to free music was only part of his identity.
As different as Germany is from Austria – perhaps – is another veteran performer, alto saxophonist/clarinetist Ernst-Ludwig Petrowsky, 83, who has stayed true to the Free Jazz credo. One of the pioneers of advanced music in the DDR during the 1960s and 1970s, and someone who has had an association with trombonist Bauer since that time, Krawall finds the reedist as part of sextet whose members are four or five decades younger than him. Yet like hockey player active in the Old-timers League playing with contemporary pros, there’s no divide between his soloing and the others. A single nearly 30-minute slab of improvisation the track is built up from the dynamic power chords of dual bassists John Edwards and Robert Landfermann, rhythmic smacks and daubs from drummer Christian Lillinger and kinetic keyboard rumbles from pianist Elan Pauer. As Petrowsky’s output on either horn, ranging from the pinnacle of dog-whistle-like cries to near bugle-pitched calls, is in the centre of this avant-garde circus, the other rings not only showcase extended drum rolls for added excitement, but cries, yelps, pops, thumps and crackles from Pauer’s so-called little instruments suggesting the noise and activities of clowns, wild animals, trapeze acts and jugglers. A dramatic high point is reaches at the mid-point as the pianist’s kinetic glissandi begin a dialogue with the reedist’s altissimo screams, finally resolved into snatches of Ornette Coleman-influenced melody. Like the sound of small animals digging in the ground, the pulsations created by Edwards and Landfermann exploring their instruments’ lowest regions signal a change to straight time during the final minutes of “Krawall”, with Petrowsky’s tone likewise becoming lower-pitched renal. The improvisational triumph is how buoyantly the contrapuntal lines from each musician complement without clashing like layers in a multi-flavored cake.
Youngest of the three innovators is German multi-instrumentalist Alfred 23 Harth. Now 67, Harth, associated with the Frankfurt am Main scene as early as the mod-1960s, has lived in Seoul since the beginning of the century. As Malcha demonstrates, like a back shop tinkerer who expands into constructing more elaborate technology, Harth has expanded his Free Music roots to take in Rock beats, notated compositions in many idioms and spends much of his time involved with electronic processing and remixing. With acoustic bedrock, the CD’s six tracks encompass wave forms generated from Wolfgang Seidel’s Buchla Music Easel, prepared guitar, vibraphone, percussion and Nicole van den Plas’s piano, zither, balalaika, kalimba, whistling and voice. With Harth playing a variety of reed instruments and Fabrizio Spera on drums and percussion, the pieces jump between what could be the soundtrack to a robotic hoedown or free-form exotica. “Send a Revolver the Night Before the Interview” is the only track where Harth’s slurping sax tone are on display and ends with an acoustical reed solo standing out like an elevated place marker among the bubbling oscillations and grinding sonic craters that make up the geography of the track. Exotica of the percussion, vocal and motor-driven variety is more common throughout, with aviary cries and mumbles in incomprehensible languages as generic as kettle-drum-like smacks, staccato string thuds and processing in defining the tunes. The extended “Ceremony behind Buddha's Garden” is the defining track which combines all these elements. Squealing riffs from a prepared guitar are interspaced among screaming vocal- and jarring wave form- oscillations and rebound in a manner reminiscent of music for a Korean horror flick. But the gurgle and whirls open up mid-way through, to highlight jagged reed nips which pierce the sonic drapery like a sharp knife in a slasher film. With a uniform drum beats providing a continuum, this dual between whispered human-like voices and glittery processes come to head, But like the feeling of dread left unresolved by the enigmatic conclusion of a terrifying movie, the idea that the program could begin again with the same intensity remains hanging.
Each of these veterans has worked out novel variations of how to keep Free Music –and themselves – lively and innovative decades after they first played it.
JAZZWORD, Ken Waxman (http://www.jazzword.com/one-review/?id=129312) (20170420)

Nach "Letzter Tumult!" nun, ein Jahr später, im Dezember 2014, am gleichen Ort, der naTo/Leipzig, der zweite Streich einer dreigipfligen Tumult-Krawall-Rabatzologie. Wieder das Kontrabass-Doppel John Edwards & Robert Landferman, wieder der hyperaktiv schlagfertige Christian Lillinger, wieder Elan Pauer mit konzertbeflügeltem Elan und als perkussiver Irrwisch und Flötenschlumpf. Und vor allem wieder Ernst-Ludwig 'Luten' Petrowsky in Hoch-, ja Höchstform. Wann sagt schon mal ein so erfahrener Musiker, dass er sich in dieser halben Stunde von höheren Mächten an die Hand genommen fühlte, um sein Bestes geben zu können? Nicht zufällig erinnern die 29:54 an ähnlich kurze Himmel- & Höllenfahrten auf ESP. Vielleicht ist eine so vielgestaltige intensive halbe Stunde ja das Maximum, was ein staunendes Menschenhirn verkraften kann. Wie da die Bassbögen an den Ganglien sägen, wie die Finger da pluckern wie Ventilatoren, wie Lillinger da fiebert und tausendfüßlert. Wie Pauer da anfangs simpel mal die Tonleiter vermisst und doch lieber auf der Stelle kreiselt, bis es ihn aus der Bahn trägt, oder er sich trotzig auf ein Minimum an Noten kapriziert. Aber letztlich ist es Petrowskys Spitfire aus plörrenden Ausrufezeichen, spitzem Geflacker und kirrenden Haltetönen, die die ersten 6, 7 Minuten zu einem Freiheitsfest sondersgleichen machen. Gefolgt von muschel-rassel-sirrendem Krawall an der bruitistischen Kante, gipfelnd in aberwitzigem Altissimo und Zungenrednerei. Bis monotones Pauer-Ticktack, Klopf- und Klingklang und schummrige Bässe die Glut dämpfen, aus der Luten jedoch einen neuen, sagenhaft langen Faden spinnt und klarinettistisch verzwirbelt. Trommel und Snare poltergeistern, die Bass- und Pianosaiten irrlichtern zwischen Tauwerk und Harfe. Und Luten brütet an einer Protomelodie, die er, auf grummeligem Bassfond zwar tenoristisch geerdet, aber nicht erdenschwer, so lange auf kleiner Flamme schmurgelt, bis sie, von Pauer rasend beflimmert und bequirlt, noch einmal krähenroh durch Stein und Bein ins Offene drängt und ins Überall dringt.
BAD ALCHEMY, Rigobert Dittmann (Bad Alchemy Nr. 93) (201703), S. 44.

Krawall! ist der zweite Teil einer anlässlich des 80. Geburtstags des legendären deutschen Saxofonisten und Klarinettisten Ernst-Ludwig 'Luten' Petrowsky initiierten Konzertreihe, diesmal aufgenommen in Leipzig, im Club naTO. Und wie schon im ersten Teil verliert das furiose Ensemble keine Zeit, um auf den Punkt zu kommen. Der mit Lutens letzter Krawall betitelte 30-minütige (und damit deutlich zu kurze!) Mitschnitt hat von Beginn weg einen offensiven Drive und eine extrem dichte erzählerische Qualität, die zu halten, zu wenden, fort- und wieder rückzuführen – nur um diesmal ganz woanders, aber mindestens so plausibel zu landen wie beim ersten Mal – das Quintett scheinbar mühelos in der Lage zu sein scheint. Die Selbstverständlichkeit, mit der das New Old Luten Qunitet dabei agiert, gründet sich aber in keiner Sekunde auf Überheblichkeit. Im Gegenteil: Hier wird die Offensive von Zärtlichkeit gespeist und die Rastlosigkeit von einer inneren Ruhe angetrieben. Das führt zu allerfeinsten Explosionen und zum zerbrechlich-schrillen Tanz der Soundpartikel. Alles fällt, wie es fällt, und das ist gut so. Fragen stellen sich in diesen 30 Minuten wahrscheinlich einfach deshalb keine mehr, weil keine Antworten gesucht werden. Und am Ende reißt sich das Chaos die Maske von Gesicht und entpuppt sich als pure Schönheit. Alles macht plötzlich Sinn: Krawall!
FREISTIL, Gregor Mahnert (Freistil Nr. 71, März/April 2017) (201703), S. 21.

While reviewing ‘Tumult’ by the New Old Luten Quintet last year, I expected it to be last recording
of Ernst Ludwig ‘Luten’ Petrowsky, who was 80 on this recording. But to my surprise it isn’t. This
new release is recorded in December 2014 when Petrowsky was almost 81. The cd contains one
30-minute improvisation called ‘Lutens Letzter Krawall’. Again this will not be the last statement
of this quintet, although it is suggested by the title.
Euphonium, the label run by Oliver Schwerdt, presents this release as the second part of a
‘Tryptichon’, of which the concluding part will contain recordings made in 2015. So there is more
come from this founding father of jazz in East Germany who started his career in the mid 50s. No
idea if jazz was supported or tolerated in communist times. In any case tolerated, as there was an
important free jazz scene in East Germany. And so Petrowsky could develop himself over the years
and become a founding father of the jazz scene over there. Let’s now concentrate on ‘Krawall’
that has the same line up as ‘Tumult’: Ernst-Ludwig Petrowsky (alto sax, clarinet), John Edwards
(double bass), Robert Landfermann (double bas), Christian Lillinger (drums, cymbal, percussion)
and Elan Pauer (= Oliver Schwerdt) on grand piano and percussion, and also on toy piano at one
instant. Again we witness a powerful and very dynamic set, with Petrowsky fully and impressively
taking part. From start they accelerate very quickly into a high-energy improvisation with prominent
role for a very expressive Petrowsky and busy Pauer. Further on the dynamics change and we enter
more laid back moments, with plenty of room for the bass players and drummer. Nearing the end
we end up once more in an intense battle, with a lyrical Petrowsky in the final minutes. The playing
of this quintet is very together and inspired. One feels the joy they had. Great to have them in this
excellent recording so one can enjoy every step taken by the participators.
VITAL WEEKLY, Dolf Mulder (http://www.vitalweekly.net/1071.html [20170221])

In my review of Tumult!, the New Old Luten Quintet’s previous release, I wrote that the improvisation “Lutens Letzter Tumult!“ (Luten’s Last Tumult!), suggested we might not hear East German free jazz legend Ernst Ludwig “Luten“ Petrowsky in such energetic surroundings again, but I hoped we would. My wish has come true: Krawall! is another excellent recording.
The band remains Petrowsky (saxophone, clarinets), Elan Pauer a.k.a. Oliver Schwerdt (piano, little instruments), Christian Lillinger (drums) and John Edwards and Robert Landfermann (basses). As before, their music contains multiplicities, if not exactly oppositions: East German improv; the more boistorous West European tradition, itself rooted in US jazz (Petrowsky’s lush Charlie Parker-influenced phrases); and more fragile instant composing – Lillinger and Landfermann studied at conservatories in Dresden and Cologne.
Krawall!, German for “riot“ or “ruckus“, implies a certain aggression and yearning for destruction (as Günter “Baby“ Sommer puts it in his contribution to the wonderful liner notes), as in the early days of European free jazz when Peter Kowald coined the phrase “Kaputtspielphase“ (blowing to pieces) when the music was often associated with a destructive iconoclasm. But Krawall! is much more than displaying current individual moods, it’s no barometer of an imaginary emotional state of mind. The word has pejorative overtones, but in this context it suggests expressive power. It’s not all energy playing, however: the Quintet creates a carefully balanced improvisation.
The album consists of a single 30-minute piece – “Letzter Krawall“ – divided into three parts, distinguished by contrasting dynamics and instrumental breaks. After hectic and intense passages, characterized by Petrowsky’s harshly overblown melodies and Schwerdt’s Tayloresque runs and chords, they often drop out to give the music time to breathe. The two basses and the drums maintain a frenetic velocity, it’s as if carried along in one another‘s wakes. At one point, the piano hammers a single note repeatedly, like a manic stopwatch, while Lillinger rattles and fizzles and Petrowsky throws in short bebop licks. After ten minutes things become gloomier, verging on dissolution, but the basses pick up the loose ends and rethread them. Schwerdt plays inside the piano and Lillinger uses all kinds of assorted percussion, augmenting the spooky atmosphere. A tuned down string on one of the basses sets your teeth on edge. The last five minutes revert to the tumultuous beginning, with the whole band going wild again. Finally, the music comes to an abrupt end with two notes on harmonica.
For Luten Petrowsky free jazz is an encouragement to combine Parker with Ayler, Coleman Hawkins with Ornette. He claims that avoiding conventions means ignoring history, being thrown back on yourself instead of creating something new on the shoulders of giants. For him, free improvisation is a kind of truthfulness. He says in the liner notes that he was very pleased with the gig as the quintet had performed as a real unit, and he was almost “high“ when he drove home.
And more good news: there’s nothing “last“ about this recording either – the band plans to release another album called Rabatz! a word with similar connotations to “Krawall“. Can’t wait to listen.
Krawall! was recorded at naTo Leipzig on December 7th, 2014, three days before Luten Petrowsky’s 81st birthday.
THE FREE JAZZ COLLECTIVE, Martin Schray (http://www.freejazzblog.org/2017/01/new-old-luten-quintet-krawall-euphorium.html [20170113])

Das letzte Werk des Altsaxofonisten und Klarinettisten Ernst-Ludwig Petrowsky? Oder ein Ende, in dem auch ein Anfang ruht? Jedenfalls liegt nun ,Lutens letzter Krawall‘ vor, nicht solistisch sondern gemeinsam mit dem Pianisten Elan Pauer, den Bassisten John Edwards sowie Robert Landfermann und dem Drummer Christian Lillinger.
Über den ,Doyen des Free Jazz in der DDR‘ schrieb Alexander von Schlippenbach anlässlich des Erscheinen des Albums: ,Eine starke Produktion. Petrowsky spielt geradezu aberwitzig, ‒ die immense Puste, die der alte Knabe hat!‘ Und auch der Drummer Günter ,Baby‘ Sommer meldete sich zu Wort: ,Luten spielt hier so überzeugend, dass dieser Krawall nichts Geringeres als sein musikalisches Credo zu verbürgen scheint.‘// Über das Album lesen wir zudem im ,Waschzettel‘: ,Petrowskys Meisterschaft zeigt sich so umjubelt dort, wo er aus dem All von hochgeschwinden Freiheiten seine fein überschwebenden Melodien schöpft und voller Kraft einer Unendlichkeit entlang führt, welche sich sonst nur im Atem des Liedes mitteilt. Baby Sommer schreibt im Begleittext desweiteren: dieser Krawall ist ,ein Fluß, der nur eine Absicht hat, nämlich zu fließen… ‒ das Schiff auf diesem Fluß aber, der sein Fließen erst sichtbar macht, ist der Gesang!‘
Auch das Booklet hat es inhaltlich in sich, wird nicht wie sonst bei derartigen „Beigaben“ für eine reine Fotostrecke genutzt, sondern geht in textliche Tiefen. Günter ,Baby‘ Sommer im O-Ton zum Album „Bei Krawall zuckt man erst einmal zusammen und geht in Deckung. Krawall impliziert Aggression und wird mit der Zerstörung von Ordnung in Zusammenhang gebracht. Die Musiker des N e w O l d L u t e n Q u i n t e t s widerlegen die negative Konnotation des Wortes Krawall auf eindringliche Weise.“
Doch nun zum hörbaren Krawall: Untergehakt geht es voran. Hier in forcierten Schritten das Tastenmöbel, dort das Saxofon, das kreischt, sich in der Stimme beinahe überschlägt, Basslinien des Klaviers begegnet. Turbulenzen des Tastenklangs geraten in Konflikt mit dem enteilenden Saxofonschwall. Pfeifen ist zu vernehmen. Atemlosigkeit schleicht sich ein. Rhythmisches vom Schlagwerk ist eigentlich nicht notwendig, denn Elan Pauer ist nicht nur gurgelnd und tosend unterwegs, sondern auch mit energiegeladenen Rhythmen. Das Schnurren des Saxofons in verschiedenen Nuancen bildet mit den Klangstrudeln, die der Pianist schafft, einen Grellen Kontrast. Ja, Rabatz und Krawall ist wahrnehmbar.
Bisweilen hat man als außenstehender Hörer die Vorstellung, es würden zwei Widersacher aufeinander treffen, Worte und Widerworte würden ausgetauscht. Die Frage ist nur, wer den längeren Atem hat. Knarzend und brummend melden sich ab und an die Bassisten zu Worten. Was schellt denn da? Knistern dringt in den Vordergrund und mischt sich mit Schellenklang. Oder sind es Glöckchen, die wir hören? Langwellige Klangphrasen steuert Ernst-Ludwig Petrowsky bei. Wiederholungen sind angesagt. Das Getöse nimmt zu, und man wartet in jedem Moment auf Eruptionen; auch nach einem hineingerufenen Hej. Doch dann hört man kurzes Tickticktick. Gebrabbel und tosendes Murmeln kann man ausmachen. Spricht Petrowsky in seinen Holzbläser? Wir können als Hörer nur Vermutungen anstellen.
Eine gewisse Entspannung stellt sich ein. Gedämpfte Saiten im Flügelkorpus werden angeschlagen. Oder hat Elan Pauer Papierblätter zwischen die Saiten geschoben und schlägt die Tasten an? Rotierendes bahnt sich den Weg, dank an Ernst-Ludwig Petrowsky. Beim Hören muss man ab und an an Historienmalereien denken, die große Seeschlachten und Schiffsunglücke unter Gewitterhimmeln und in aufgebauten Wellenbergen vorstellen. Auch Gustave Courbets Gemälde ,Die Welle‘ findet in der vorgetragenen Musik streckenweise eine Entsprechung.
Zurückgenommen sind die gestrichenen Bässe, derweil das Schlagwerk sich aufdrängt. Blechverwirbelungen erreichen den Klangraum. Felle klingen dumpf. Spannung wird aufgebaut. Man wartet eigentlich auf den gewaltigen Theaterdonner. Doch kaum lässt das Tempo und die Klangintensität nach, wird diese ,Atempause‘ nur genutzt, erneut den Klangbogen zu spannen. Schrill-grell äußert sich Petrowsky und Elan Pauer antwortet mit sprunghaftem ,Diskant‘ und brodelnden Basslinien. Doch auch diese Spannungen lassen nach. Ruhigere Fahrwasser werden durchquert. Trätschrätschräsch erklärt der Drummer. Und ist da nicht Petrowsky an der Klarinette zu hören? Weich und samten klingt sie nicht, aber weniger ,verstimmt‘ als das Saxofon in anderen Phasen des letzten Krawalls.
Wie ein Herbststurm mit Blitzzucken und Gewitter vergeht, so vergeht das Klanggewitter. Oder ist das dann erneut nur die Ruhe vor dem Sturm, wenn die Bässe erdig-umbrafarben zu vernehmen sind und dazu das Altsaxofon mehr oder minder melodische Linien zeichnet, aus denen aber schlussendlich ausgebrochen wird? Elan Pauer findet im Verlauf des Krawalls auch Momente, in denen er ein Glockenspiel nachahmt, oder? Schließlich bleibt aber die nachstehende Frage: Wie wird das wohl alles enden? In Harmonie oder im Chaos? Wird es überhaupt enden oder gibt es im Ende einen neuen Anfang, sodass der Krawall sich unbegrenzt fortpflanzen kann? Zum Schluss: Überschwebende Melodien, die, wie oben angeführt, Petrowsky zugeschrieben werden, konnte der Rezensent nicht ausmachen. Da waren eher Klangfetzen und Klangblitze zu bemerken, die kurz vorhanden waren und dann beinahe nahtlos in Klangfragmentierungen übergingen.
JAZZ'HALO, Ferdinand Dupuis-Panther (https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/n/new-old-luten-quintet-krawall/ [20190326])